Lubmin, das war wirklich eine der genialsten Zeiten während der Schulzeit. Was da so abgegangen ist, war der totale Irrsinn. Wer jemals da war, weiß wovon ich rede.
In diesem Lager trafen sich während der Sommerferien Jungen und Mädchen aus den verschiedensten Schulen. Man übernachtete in Armeezelten, in einem Armee- Doppelstockbett. Alkohol in diesem Lager war natürlich streng verboten, war merkwürdiger Weise aber immer verfügbar. Die Tage begannen mit `nem super Frühstück und anschließend ging es zur "Arbeit" (für die man natürlich auch entlohnt wurde). Ich erinner mich noch daran, das ich einen an einer Strasse liegenden Kabelschacht freischaufeln musste. War nicht unbedingt der Renner, aber für glaube vier Stunden am Tag, war`s auszuhalten. Nach Beendigung der Arbeit konnte man dann seiner persönlichen Freizeitgestaltung nachgehen. Da Sommerzeit war, hieß es natürlich immer ab an den Strand (Ostsee). Zum Abend hin, wurde es dann aber immer prickelig.
Man hatte eigentlich nur eines im Sinn, Mädchen. Lagerfeuer, Diskoabende und sportliche Betätigungsfelder gaben das nötige Ambiente um jemanden kennen zu lernen. Ohne rumzuprahlen kann ich für meinen Teil behaupten, das Tischtennisspielen mein Sport war. Ich war ein echter Held. An der Platte lernte ich jemanden kennen. Sie hieß A.. Die Abende haben wir immer zusammen verbracht. Die Nächte auch. Wobei das immer ein gefährliches Unterfang war. Nachtwachen haben für Disziplin und Ordnung "versucht" zu sorgen. Abgesehen davon, lagen die Jungen und Mädchenzelte nicht gerade nebeneinander. Aber was hat das schon zu bedeuten? Wie dem auch sei, wir waren dennoch zusammen. 
Das Lager endete sich dem Ende und wir fuhren wieder nach Hause. Natürlich wollten wir für immer zusammenbleiben und trafen uns auch ganz schnell wieder. Das erste mal war ich zu Ihr eingeladen. Sie wohnte in Hönow bei Berlin. Es schien Ihr und Ihrer Familie echt gut zu gehen. Eltern mit eigenem Haus und großen Garten. Das war schon etwas besonderes. Ich wurde zum Abendbrot eingeladen. Sie hatte einen Bruder der mit dem Down-Syndrom lebt. Jetzt wo ich darüber nachdenke sehe ich Ihn noch regelrecht vor mir, an Ihren großen Runden Essentisch sitzen. Es gab Brot und Tomaten. Ich weiß noch ganz genau wie ich die Zwiebeln für die Tomaten"stullen" geschnitten habe. Wieso erinnert man sich nach so viele Jahren an genau das? Eine Hiobsbotschaft erreichte mich. A. bekam die Chance einen zweiten Durchgang in Lubmin verbringen zu können. Sie versprach mir, das ich mir keine Sorgen machen bräuchte. 
Da Sie mir ja nicht egal war, plante ich die große Überraschung für Sie. Ich also mit meinen Kumpel Rödel gesprochen ob er nicht Lust hätte mit mir nach Crussow (Kr. Angermünde) zu meiner Oma zu fahren um dort noch ein bisschen Ferien zu machen. Wir uns also auf den Weg gemacht, rein in den Zug und ab zu Oma. Wir verbrachten ein paar Tage auf dem Dachboden, mit viel Alkohol und Zigaretten. Hey, wir waren echt die größten. Irgendwann erzählte ich Ihm von meiner genialen Idee nach Lubmin zu fahren. Da er das Lager selbst schon besucht hat, fand er die Idee total klasse. Wir also ein paar Sachen gepackt, von Oma verabschiedet, rein in den Zug und ab nach Lubmin. Weiß echt nicht mehr wie wir dort angekommen sind. Immerhin befand sich das Lager irgendwo, mitten im Wald. Am Wachposten vorbei geschlichen und durch ein Loch im Zaun rein ins Lager. Warst Du erstmal drin, konnte eigentlich nicht mehr viel passieren. Du hast Dich angepasst, als wärst Du im derzeitigen Durchgang. Man ist mit allen anderen zum Waschen und auch zum Essen gegangen. Einziges Problem war die Zeit zum Schlafen und Arbeiten zu überbrücken. Übernachtung war ja kein Problem, ich wusste ja das es jemanden gab der sich sicher tierisch auf mich freuen würde. Und über Rödel brauchte ich mir auch die wenigsten Sorgen machen. Der fand immer einen Schlafplatz.
Wie dem auch sei, ich fragte mich nach meiner A. durch und siehe da, mir konnte geholfen werden. Mein Herz pochte und ich war so aufgeregt sie unter diesen Umständen wiederzusehen.  In genau dem Moment wo ich Sie überraschen wollte, sah ich sie mit einem anderen Arm in Arm laufen. Ich war sowas von erledigt und verstand die Welt nicht mehr. Meine Befürchtungen über das Lager wurden mir in diesem Moment bestätigt. Natürlich habe ich Sie begrüßt und es war Ihr sichtlich unangenehm. Wir haben uns im Lager nie wiedergesehen und nach Lubmin sowieso nicht mehr.
Was wäre nur passiert, wenn ich nicht der geniale Tischtennisheld gewesen wäre? Ich ging am selben Abend zu den Platten. Im Hinterkopf immer wieder diese Gedanken, was das zu bedeuten hatte, warum Sie mir so etwas antun musste. War alles nur gespielt? Ich habe doch Ihre Familie kennengelernt? Und welche Frage mich noch sehr beschäftigt hat, wo verbringe ich jetzt die Nacht? Ich war ja illegal in dem Lager. Dieses Problem sollte sich aber bald von allein lösen. Da war Sie, klein, zierlich und blond. Wohnhaft in ... Von mir zu Hause ca. 20 Minuten mit der Strassenbahn Richtung Berlin Mitte. Sie nahm sich meiner an, war sehr Verständnisvoll und siehe da, die Gedanken an A. haben sich in Luft aufgelöst. 
Wir sahen uns noch ein paar Wochen nach Lubmin und dann trennten sich unsere Wege. Ich glaube es war einfach ein sehr ungünstiger Zeitpunkt als wir uns kennenlernten. Auch bei Ihr war ich mal zum Essen eingeladen. Ihre Mam` bratete uns Wiener die an den Seiten über kreuz eingeschnitten waren. Immer wenn ich diese Wiener so herrichte denke ich an dieses Abendbrot bei Ihr zu Hause zurück. Jedoch ohne irgendeine Bedeutung was das Mädel betrifft. Auch hier wieder meine Verwunderung darüber, wieso erinnert man sich gerade an sowas?
Was mich heute etwas erschreckt, das ich völlig ungezwungen von einer zur nächsten gewechselt bin. Das bin nicht ich. War das Lubmin?

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